Keyboarderforum by Musiker Lanze

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Johannus LiVE III

Mr.Tyros

Extremer Schreiberling
Was macht ein Aushilfs-Organist, wenn er beim Orgel-Experten ein Bauteil für seine eigene Heimorgel kauft?
Richtig, das teure Sortiment testn:haha:

Da Johannus die Werbetrommel für die LiVE-Serie gerührt hat, war ich entsprechend gespannt auf das Ergebnis, welches ich euch hier einmal berichten. Wie auch beim Test der Unico habe ich auf Bilder verzichtet, dafür ist die Zeit, das Instrument zu testen und dann noch zu knipsen einfach zu knapp.

Die Firma Johannus aus den Niederlanden gehört neben Allan und Viscount zu den Top-Rennern wenn es um Digital-Orgeln geht.
Die LiVE ist eine sogenannte Positiv-Orgel, sprich es ist ein rund 2m hoher Aufbau, der einem Arbeitsplatz direkt am Gehäuse der Orgel nachempfunden ist.
Statt Register-Wippen (wie sie z.B. von Steinmeyer üblich sind), kommen Manubrien zum Einsatz, sprich Zieh-Register.

Nun mal in´s Detail:

Die LiVE III kommt mit 3 Manualen und einem 30 tönigem geraden Pedal daher (Grundausstattung), kann aber durch ein geschweiftes Pedal und Pistons erweitert werden.

Die Manuale sind von unten her gesehen in
- Rückpositiv
- Hauptwerk
- Schwellwerk
unterteilt. Je nach Disposition einer Orgel dient das Positiv als eigenständiges leises Werk, während das Hauptwerk das kräftigte Werk ist. Das Schwellwerk wird fast immer mit dem Hauptwerk zusammen gespielt und "dickt" den Klang quasi an. Bei lauteren Stücken wird dieses meist an das Hauptwerk gekoppelt, sodass der Organist nur noch ein Manual braucht.

Die LiVE III kommt ab Werk mit zwei komplett geladenen Sample-Sets echter Orgeln (u.a. Utrecht, Dresden und Paris) und kann auf bis zu 5 erweitert werden, die dann direkt gestreamt werden und im Direktzugriff auf Taster unterhalb des Schwellwerks gelegt werden.

Jedes Register wird dabei über die Manubrie gezogen, welche aus Holz gemacht wurden und somit deutlich näher am Original dran sind.

Leider sind diese nicht mechanisch gesteuert, sodass sie nicht von alleine zurückschnellen.

Der Clou: Die Beschriftungen der Manubrien sind mit E-Paper realisiert, also kleine Displays, die der Farbe und Helligkeit von Papier nachempfunden sind, ähnlich einem E-Book.
Mit dem Umschalten auf eine weitere Orgel, werden diese innerhalb einer Minute durch die "neuen" Registerzüge ersetzt, sodass man sich das alteingebrachte Umstecken der Etiketten ersparen kann.

Die Sample-Sets der Orgeln bestehen mittlerweile aus mehreren Gigabyte an Samples, beim Spielen werden diese direkt gestreamt, anders kann man diese Datengrößen nicht mehr ohne Latenz liefern.

Vorteil der Johannus-Sampling-Technologie: Alle Samples der DS-Technologie (Direct-Stream) arbeiten ähnlich von Physical Modelling miteinander und gegeneinander.

Kleines Beispiel:
Ein 32' Bass ungedackt (also etwas mehr als 10m hoch) erzeugt durch den tiefen Ton eine starke Vibration. Diese kann sich unter Umständen auf andere Register auswirken.
Ein Trompeten-Register, welches sich direkt neben dem Subbass befindet, wird durch die Vibration so stark beeinflusst, dass der Ton ein leichtes Tremolo bekommt und daher in der Frequenz der Vibration tremuliert.
Dieses Verhalten wurde bei den Sets berücksichtigt und gibt so ein extrem authentisches Spielgefühl wieder.

Subtile Mechanik-Geräusche oder das "Rauschen der Luft" (Register nicht ganz aufgezogen, daher rauscht die Luft, aber kein Ton erklingt) sind leider nicht mit übernommen worden, jedoch sind diese bei einer Digitalorgel eher zweitrangig.

Ich habe für meinen Test das Sampleset der Silbermann-Orgel in Dresden gespielt und bin von der Qualität dieser Aufnahmen sehr beeindruckt, da ich selbst die Ehre hatte, das "echte" Instrument wenn auch nur kurz, anzuspielen.
Da die wenigsten mit Begriffen wie "Sesquialtera, Kornett, Bourdun oder Mixtur anfangen können, erspare ich mir eine tiefergehende Registerkunde. Die kommt im Review zur Ecclesia :zwinker: )
Die eingebauten Lautsprecher samt Verstärker liefern einen extrem lauten und satten, dennoch homogenen Klang, lassen sich aber auch mit von Johannus eigens entwickelten Lautsprecher-Systemen auf ein 8.1 System erweitern, somit ist die Orgel auch für große Installationen bereit.
Für die Technik-Freaks: Der Tieftöner liefert 170W, der Fullrange-Töner 80W.
Kleiner Tipp: Stellt NIEMALS ein Glas auf die LiVE III, wenn ihr im Pedal spielt. Spätestens nach ner halben Minute ist es runtergefallen :zwinker:

Die internen Lautsprecher sorgen für einen ausreichend lauten Klang, dass er für das Spiel in der Kapelle oder Gemeindehaus ausreicht, mit dem 8.1 System kann die LiVE III auch in der Kirche den mechanischen Kollegen ersetzen.

So wurde eine Kirchenorgel quasi entkernt und nur die Prospekt-Pfeifen zurückgelassen. Im Gehäuse der Orgel wurden nun, ebenso wie diskret im Schiff, Lautsprecher installiert, und der Spieltisch durch eine LiVE III ersetzt.
Den Unterschied sieht man nicht, hört man nicht, und merkt es erst, wenn man sich ran setzt :lächel:

Für den Fuß gibt es in der Grundausstattung 2 Pedale, welche im Preset als Schweller dienen.
Jedoch kann es als vollparametrisches Crescendo umgeschaltet werden.
Dieses kann man am einfachsten mit nem Gaspedal vergleichen: Je weiter man das Pedal tritt, umso mehr Rumms kommt raus.
Welche Register in den 20 Schritten nach und nach aktiviert werden, kann man natürlich festlegen :lächel:

Registrationen, aber auch Spielhilfen wie ein automatischer Bass (für alle, die auf dem Pedal noch nicht fit sind), eine "Cantus Firmus" (lässt den obersten Ton des Schwellwerks als Solo erklingen) und für alle, die es hassen, die Tonart manuell zu ändern: Ein Transpose.
(Nennt mir einen Organisten, der "Danke für diesen Guten Morgen" durchgehend in D spielt, dann setzt es was:smashtard:
Dat gehört jede Strophe einen Halbton nach oben transponiert :haha:)

Auch Koppeln in bekannter Manier (I/P II/P II/P II/I III/II III/II), sowie der Tremulant fehlen natürlich auch nicht.
Sehr nützlich und an Digitalorgeln Standard: Der "Zungen-Aus"-Taster.
Auf Knopfdruck werden alle Lingualpfeifen stumm geschaltet. Sinn und Zweck: Die Dinger sind Schweine-Laut und dröhnen wie Hulle. Wer also keine Lust hat, seine Lauten Register nach dem Refrain alle wieder abzuregistrieren, wird die Funktion lieben!

Das Johannus-Menü liefert Zugriff auf alle Parameter. Sei es vom Crescendo, über Hall und Position der Klänge (Am Spieltisch, im Schiff, Altarraum), bis hin zur Intonation jeder einzelnen Pfeife, kann wirklich JEDER Parameter eingestellt werden.
So lassen sich auch daheim die Intonationen bekannter Kirchen nachbilden.

Allerdings das größte Problem: Die Manubrien der Register sind nicht untereinander getrennt, sodass es keine direkt erkennbare Trennung zwischen den Werken gibt, weshalb man zu Beginn einfach zu lange hinschauen muss. Dies hätte mit etwas Abstand zwischen den Registergruppen durchaus besser gelöst werden können :traurig: Es ist kein extremer Ausreißer, macht es aber unnötig kompliziert.

Fazit: Sowohl daheim, als auch im "ernsten" Einsatz im geistlichen Umfeld kann die LiVE III voll punkten. Es ist alles da, was man für Orgelmusik braucht, zahlreiche Zusatz-Funktionen, die man sich anfertigen lassen kann machen aus der Orgel vom Fließband eine persönliche Anschaffung.

Sehr detaillierte Klänge im direkt-Stream, die Möglichkeit, bis zu 5 Orgeln auf Knopfdruck in einem Instrument zu haben, und die Kirchen-taugliche Optik machen aus der LiVE III eine Digitalorgel, die man sich, sofern man sich für diese Art Instrument begeistern kann, zumindest einmal ansehen sollte.
Je nach Erweiterung und Anpassung sind wir preislich bei einem Neuwagen, wer sich jedoch ernsthaft mit einer Orgel anfreunden kann, wäre beim LiVE III-Modell an einer guten Adresse.

Für Puristen gehen wir bald noch die Ecclesia durch :zwinker:

+ Extrem detaillierte Nachbildung von echten Kirchenorgeln
+ Bis zu 5 Sampleset im Direktzugriff (Ladezeit etwa 60 sec.)
+ Register als Manubrien, dadurch extrem authentisch
+ Untereinander einwirkende Register-Samples für extrem realistische Abbilder
+ Sehr tiefgehend editierbar
+ Zahlreiche Erweiterungen und Funktionen bestellbar
+ Extrem große Samples (mehrere G:cool:
+ Registerzüge mit E-Paper beschriftet, dadurch kein austauschen nötig

- Manubrien nicht automatisiert
- Manubrien sehr unübersichtlich angeordnet
- Hoher Preis
 
Hi Danny,

ich bin schwer beeindruckt , womit du dich alles auskennst.... Schöner Testbericht !

Kerstin
 
Hallöchen ihr zwei :lächel:

Ich hab ja vorher ne Ausbildung an der Kirchenorgel gemacht, allerdings damit aufgehört, als meine Lehrerin und gleichzeitig Freundin verstorben ist

Fotos hätte ich gern gemacht, mir blieb allerdings knapp ne 3/4 Stunde, da noch andere Interessenten da waren, und die habe ich lieber darin investiert, das Baby auf Herz und Nieren zu checken :lächel:
Lohnt sich auf jeden Fall
 
Ich werd beim nächsten Mal dran denken :zwinker:
Für den Test der Ecclesia hab ich leider auch keine angefertigt.
Das ist immer so dieses "Geschenke auspacken und wie wild drauf loslegen"-Feeling :zwinker:
 
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